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Вечная память/Vetchnaja pamjat (und zwei Hunde)

Eťa Kazmuková

Performance, Straßenfarbe, Bitum, Gips

Sänger: Bodur Vladimir

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Live Aufnahme vom Sänger (MP3)

„Na, merkst du, dass du in Bulgarien bist?“, fragte mein Cousin, als er mich einmal vom Sofia-Flughafen abgeholt hat.

„Ja, denn es gibt keine Straßenmarkierung...“

Wir fuhren durch das Zentrum, auf beiden Seiten der „Jagdpark“, von dem aus uns ein paar Straßenhunde anguckten. Da keine Markierungen auf dem Asphalt deutlich waren, bildeten sich Fahrspuren nach den Bedürfnissen und Ambitionen in verschiedensten Verbänden. Wir waren gerade in einer Kette, sie bremste ab.

Nach kurzer Überlegung, den Asphalt betrachtend, sagt er: „Klar sind da Markierungen, Du musst nur genau hinschauen.“

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„Es bildeten sich zwei Ketten- die eine führte Leutnant Tamachkjarow, mit den „Katschmareks“ Georgi Gentschew und Matei Todorow, die zweite führte Stojan Stojanow mit Dimitar Spissarevski und Bogdan Iliew.

Eines Tages, während der ersten Übung, geschah das Unheil. Die Aufgabe war: Starten, eine Kette in der Luft bilden und am Ende im geschlossenen Verband fliegen.

Als die Kette startete, war der Himmel unglücklicherweise mit niedrigen Wolken bedeckt. Man musste also die Wolken durchstoßen, um darüber die Übungen zu vollziehen. Das gelang Tamachkjarow, aber Gentschew und Todorow verloren wahrscheinlich die Orientierung. Man wusste nicht, was oben und unten ist. Als die beiden Flugzeuge aus den Wolken stürzten, genügte die Höhe nicht mehr zum Abfangen – sie zerschellten bei Eberswalde, in der Nähe von Werneuchen. So kamen Gentschew und Todorow ums Leben.“ („Werneuchen, Geschichte eines Fliegerhorstes“, H. Bukowski, Seite 48)

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Ich sprach mit Herr Valkov aus Sofia im Telefon, ich wollte mehr Materialien zur diese Unheil bekommen. „Mehr darüber?“ „Kowatchew, der letzte Zeuge ist gestorben, vier Jahren ist es schon her. Das wird schwer. Also die Materialien existieren vielleicht, aber wo? Das braucht wirklich viel Zeit.“

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In einer der Hallen in Werneuchen formiert die Straßenfarbe ein Markierung, der ein bisschen wie Straßenverkehr führt, diesmal ein Sänger zum singen – sie bildet ein Partitur.

Es handelt sich dabei um eine Notationsform die eher selten ist: sie wird noch in bestimmten Orthodoxriten benutzt, sonst nicht viele können sie lesen. Die Performance – das Singen – ist damit der einzige Zeitpunkt, an dem die Zeichnung zur Partitur wird. In diesem Moment droht allerdings Orientierungsverlust auch, denn die Partitur durch die futuristische Maßstäbe der Halle stark verlängert, deformiert ist.

Der Sänger kann sie nicht mit einem Blick lesen, er muss die Wänden entlang laufen, um ihren Sinn und ihre Melodie zu entdecken. Zwischen seiner Erinnerung an das Gesehene und der Erwartung an das noch zu Lesende muss er den richtigen Ton finden.

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„Wie’s damals war?,“ antwortete mir ein Mann, als ich ihn bat, mir seine Erinnerungen zu erzählen.

„Ist egal. Alles was Bedeutung hat, ist ---“ Und statt Worte schlug er zwei Mal stark mit seinem Stock auf den Asphalt, auf dem wir beiden standen.

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Für „alle Ewigkeit“, um die Worte der Lieferfirma zu wählen, sei die Verkehrsfarbe, die für die Aufzeichnung des Hymnus es dient, vorgesehen.

Wie sich diese Ewigkeit anhört, ist, trotz der Verlängerung, in eher kurzer Zeit zu entdecken. „Ewige Erinnerung“ – der Sang für Verstorbene erfüllt die ganze Halle, nach nur drei Minuten erlischt er.

Was war, ist aber vielleicht auch ohne Interesse, wenn man dem alten Mann glaubt, denn nur das, was ist, hat Bedeutung.

Der Sänger beendet seinen Gang schließlich außerhalb der Halle, bei den Straßenhunden aus Asphalt – ähnlich den Hunden, die in Sofia seit Generationen, sich immer regenerierend, so treue Beobachter der Gegenwartsentwicklung sind.

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„Willst du Asphalt? Gebe ich dir. Ich könnte ihn dir sogar bezahlen.“

„Wieso?“

„Na... ist problematisch, quasi unzerstörbar. So einen Container zu entsorgen kostet 2500 Euro“